Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf - Euphrosine Theaterverlag Theatertexte Bücher

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Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf - Georg Wintermann

Was wäre wenn die DDR die 1989er - Wende gewonnen hätte? Es gäbe keine  Neuen Bundesländer, sondern 30 neue Bezirke. Erich Honecker wäre nicht  vor Gram gestorben sondern könnte weiter platte Reden halten.  Karl-Eduard von Schnitzler entwickelt den Rosa Kanal, weil es den  Schwarzen nicht mehr gibt. Marcel Reich-Ranicki rezensiert das  "Kommunistische Manifest". Helmut Kohl, als Verräter am Volk, ist auf  der Flucht und entkommt durch einen Gullydeckel. Die "Aktuelle Kamera"  preist die neue Zeit und Rudolf Moshammer war bei der Entwicklung des  neuen Trabant 602 maßgeblich beteiligt.

Der Zuschauer erlebt einen ereignisreichen Tag im  Andersrum-Nachwendejahr. Wahltag, Parteitag, Jahrestag der  Wiedervereinigung. Der Parteitag geht zu Ende und die anschließende  Galaveranstaltung moderiert Honecker höchstpersönlich mit hochkarätigen  Gästen, wie Monika Herz, Udo Lindenberg, Nena, Nina Hagen, Stefanie  Hertel sowie anderen Showgrößen aus beiden Teilen Deutschland. Zu guter  Letzt lässt Old Erich sich selbst hinreißen zu singen, dazu gibt es  bissige Kommentare von Mielke und Margot. Eine kurzweilige neuartige  Geschichtsbetrachtung mit einem überraschenden Ende.

Uraufführung: 16.April.2004 an der Komödie Dresden

Regie: Jürgen Mai
Bühne und Kostüme: Ella Späte
Musikalische Leitung: Robert Jentzsch
Choreografie: Thomas Hartmann

Besetzung:
Spielensemble, ca. 60 Rollen werden dargestellt von Dietmar Burkhard,  Beate Laaß, Cornelia Wilhayn, Kati Grasse, Cornelia Fritzsche, Marcus  Born, Robert Jentzsch, Holger Thews, Matthias Manz, Klaus Frenzel

Theaterschaffenden und Mitgliedern des Deutschen Bühnenvereins bieten wir eine kostenfreie Leseversion.
Bitte kontaktieren Sie uns hier.

Textbuch gebunden

 Georg Wintermann
"Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs’ noch Esel auf"
Anfang
Mit dem sehr langsamen Einziehen des Saallichtes kommt leise, noch bei geschlossenem
Vorhang, eine Ton- und Geräuschkulisse auf. Fetzen aus DDR – Schlagern, Politikerreden,
Radiosendungen, Wir-sind-ein-Volk-Rufe, Sandmännchen-Melodie, Gorbatschow auf
russisch "Wer zu spät kommt…" auch Stücken aus FDJ-Liedern, Herbert Roth, Singegruppen
und Bands. Diese Kulisse wird zunehmend lauter und geht über in ein Kampflied der Partei
der Arbeiterklasse, tonal ganz leicht angeschrägt, kaum merklich. Dieses Kampflied wird
überblendet von der Aktuellen Kamera-Fanfare (Signature Tune).... Dabei öffnen sich die
beiden Seitenvorhänge.
Mit Beendigung der Fanfare erscheint auf einem großen Bildschirm des
Fernsehapparateherstellers RFT Staßfurt die
Sprecherin der AK.
Fernsehgerät Nr. 2 (Links oben)
Aktuelle Kamera:
Die Nachrichten der aktuellen Kamera am 3. Oktober 1991.
Der Tag der Deutschen Einheit jährte sich heute zum 3. Mal. Millionen
Alt - DDR-Bürger begingen diesen Tag zusammen mit ihren Freunden
und Verwandten aus der ehemaligen Bundesrepublik, die ihre
wiedergewonnene Unabhängigkeit vom Kapitalismus den ganzen Tag
begeistert feierten. Auf dem Berliner Alexanderplatz spielten Singe- und
Musikgruppen zwischen volksfestartigen Ständen bei Sport und Spiel
und sorgten so für ein Fest der sozialistischen Lebensfreude.
Guten Abend. Es ist 18:00.
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 1 (rechts unten)
Zwei Jugendliche auf dem Alexanderplatz, Hintergrundmusik. Blick in die Kamera.
Er spricht einen Ostdialekt, sie einen Westdialekt. Er isst ein Würstchen.
Jugendliche:
Also, dass ist einfach eine unheimlich geile Veranstaltung hier.
Jugendlicher:
Hm.
Jugendliche:
Festen sollten wir immer nur kaufen und kaufen. Dabei kam gar keine
gute Laune auf. Heute hatte ich aber schon so viel Spaß hier, was
Mario...?
Sowas hatten wir nicht im Westen. Musik, Spiele und so. Auf unseren
Jugendlicher:
Hm..
Jugendliche:
Also wir beide hatten ganz viel Spaß, stimmt’s Mario?
Jugendlicher:
Hmhm..
Jugendliche:
Blume hier, die hat mir der Mario am GST – Stand geschossen. Und
wenn die Mauer nicht gefallen wäre, dann hätte ich mein Mario auch
gar nicht kennengelernt. Die Ostmänner sind sowieso die besten. Das
habe ich gerade in der "für dich" gelesen. Die sind bescheiden, fleißig
und kiffen nicht. Na und eigentlich wollen die immer... irgendwas
Besonderes unternehmen mit einem, stimmt’s Mario.
Und ich hab’ fast noch gar nichts ausgegeben. Eine Currywurst und die
Jugendlicher:
Stimmt.
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 2
Aktuelle Kamera
bereits um 7:00 Uhr die Wahllokale der Nationalen Front in den 45
Bezirken der DDR offen.
Der 3. Jahrestag der Wiedervereinigung war Anlass, erstmalig eine
gesamtdeutsche freie, demokratische und geheime Wahl durchzuführen.
In tausenden Wahllokalen wollten viele Bürger Wahlerster sein und den
begehrten Blumenstrauß in Empfang nehmen. Die Aktuelle Kamera
war im Wahlbezirk 176 in Osterschnetebüller-Koog bei Flensburg
dabei.
: In den frühen Morgenstunden standen am heutigen Staatsfeiertag
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 1
Ein Bauernehepaar. Die Bäuerin hat in der Hand einen Blumenstrauß. Im Hintergrund
Kuhglockengeläut und Muhen.
Bauer:
ist hier die Tröger, Else hier neben mir, weil ich ihr dann den
Blumenstrauß schenken kann.
Ja, wir wollten so früh gern dabei sein, weil ich dann meiner Frau, das
Bäuerin:
Das macht er sonst nämlich nicht.
Bauer:
Nur zur Wahl, wenn wir den Strauß dann kriegen.
Bäuerin:
Heute haben wir den gekriegt.
Bauer.
Bauernsleute können dann vorher schon frühstücken, dann wählen wir
die Kandidetten der Nationalen Front und dann kümmern wir uns um
die Schweine.
Wir können nur jedem empfehlen ganz früh zur Wahl zu gehen. Wir
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 2
Aktuelle Kamera
Die Delegierten und Gäste trafen sich zu diesem herausragenden
politischen Symposium im Palast der Republik in Berlin, wo heute
unter anderem beschlossen wurde, die Volkskammer mit Kandidaten
aus den neuen Bezirken der DDR zu erweitern. Das Auditorium der
Nationalen Front besteht dann aus 1000, statt wie bisher aus 500
Mitgliedern.
In einer Tagungspause befragten wir den Facharbeiter für
Hopfenendveredelung und Neu-Kandidaten der SED Franz
Unterholzner, Bezirk München, nach seinen Eindrücken.
: Zur Stunde geht der XIV. Parteitag der SED zu Ende.
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 1
Franz Unterholzner mit einer AK-Reporterin.
Unterholzner:
persönlich daran teilnehmen darf, denn es ist eine große Ehre und ich
hätt' mir das nicht träumen lassen, dass ich eines Tags als Volk die
Geschicke des Volkes mitbestimmen darf. Früher durften wir ja nur
Steuern zahlen und alles sagen und es wurde nix erhört. Heute zahlen wir
viel weniger Steuern und wenn wir nix sagen, werden wir trotzdem
erhört. Den Parteitagsbeschluß die Volkskammer zu vergrößern, begrüße
ich persönlich sehr, weil mich mein Kollektiv in dieses Gremium
hineinwählen wird. Ich bin froh, dass ich 1989 in München persönlich
dabei war als wir auf unseren Montagsdemos gerufen haben: Kohl und
Blüm soll’n sich verzieh'n!
Ja, grüß Gott, hallo. Ich persönlich bin sehr erfreut, dass ich hier
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 2
Aktuelle Kamera:
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gesprochen hat. Wir schalten
direkt in den Palast der Republik nach Berlin, um die Abschlussrede des
Genossen Erich Honecker life zu übertragen.
Soeben erfahren wir, dass der letzte Redner auf dem Parteitag der
Umschaltung Fernsehgerät Nr. 1
Lichtwechsel. Der große Vorhang öffnet sich. Applaus während des Öffnens.
Auf der Bühne befindet sich das Sitzpodium des Politbüros. Dort sitzen Harry Tisch, Kurt
Hager, Egon Krenz, Werner Krolikowski, Günter Schabowski, Günter Mittag, Hans-Joachim
Preil. Allerdings als Pappkameraden. Sie sitzen steif, unbeweglich, das einzige was sich ab
und zu bei ihnen bewegt sind die Hände, die Beifall spenden.
Davor ein Rednerpult mit Mikrofonen. Das Pult mit dem üblichen SED-Abzeichen. Im
Hintergrund über den Köpfen der Pappkameraden ein Transparent mit der Aufschrift:
"DER SOZIALISMUS SIEGT"
Während sich der große Vorhang öffnet sieht man erneut die AK-Reporterin
auf dem Bildschirm 1 mit dem Mikrofon und belegt-salbungsvoller Stimme.
Der Applaus für den letzten Redner ist noch deutlich und vor allen Dingen lange zu
hören.
AK-Reporterin:
soeben das Pult verlassen. Er sprach über die Entwicklung gemeinsamer
deutsch-deutscher Kollektive beim Aufbau der Waldschlösschenbrücke.
Die Lädierten des Parteitages lauschten mit großer Aufmerksamkeit
dem Vortrag und spenden nun herzlich Applaus.
In wenigen Minuten wird spannungsvoll die große Abschlussrede des
Genossen Erich Honecker erwartet.
Dieser für die deutsche Politik so ereignisreiche Tag wird mit Sicherheit
in die internationale Geschichte der DDR eingehen und einen sicheren
Platz in den Schul- und Geschichtsbüchern finden.
Parteitag, Wahltag und Tag der Deutschen Einheit – ein Festtag für
jeden Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik.
Der letzte Redner des heutigen Tages, Herbert Wagner aus Dresden, hat
Es ertönt Musik, der Präsentiermarsch.
AK-Reporterin:
Delegierten erheben sich von ihren Plätzen, das Politbüro bleibt
geschlossen und wie gebannt auf ihren Plätzen sitzen. Eine kribblige,
emotionale Stimmung durchzieht den Großen Saal des Palastes der
Republik und da endlich erscheint Erich Honecker....
Doch jetzt ist es soweit. Die ersten Marschtakte ertönen. Die
Die AK-Reporterin bewegt noch den Mund aber wir verstehen sie nicht mehr, der
akustische Vorhang zur Begrüßung des Generalsekretärs ist zu enorm.
Mit dem Abspielen der ersten Töne des Präsentiermarsches erscheint Erich Honecker und
geht aufs Pult zu. Eingespielter Applaus. Hoch-Rufe. Die Hände der Pappkameraden
bewegen sich. Vom Himmel kommen Hammer und Zirkel und ein Ährenkranz
Eine kämpferische Stimme über Band,
Kampfstimme:
SED, Vorsitzender des Politbüros und des Staatsrates der Deutschen
Demokratischen Republik, Vorsitzender des Nationalen
Verteidigungsrates, Ehrenvorsitzender des Zentralrates der Freien
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